Screen.tv Interview
Interviewerin: Sabine Schlosser vom http://screen.tv/, dem Online-Magazin von Pro Sieben Sat 1 Media.
Interviewter: Nikolay Georgiev
Datum: 2.7.2012
Status: beantwortet
Wann fällt der Startschuss in Deutschland?
Wir entwickeln uns Schritt für Schritt. Zur Zeit arbeiten wir an einer offenen und modularen Forschungsplattform für Windenergie und suchen nach einer großen Werkstatt in oder in unmittelbarer Nähe von München. Wir setzen zunächst die Grundprinzipien der Open-Source-Entwicklung in kleinem Rahmen um. Dann machen wir die nächsten größeren Schritte. Das was uns stärken könnte sind engagierte Ingenieure und Unterstützer.
Wo soll das Dorf in Deutschland aufgebaut werden?
Das wird erst später entschieden und es wird nicht nur eine Gemeinschaft, ein Dorf, oder eine Werkstatt in einer Stadt sein, sondern viel mehrere. Unser Ziel ist es, Open-Source-Entwicklung deutschlandweit zu betreiben.
Wie offen sind Deutsche für diese Idee?
Viele Studierende, Arbeitnehmer und Rentner sind interessiert. Wir bauen zur Zeit die Strukturen, damit sie sich praktisch engagieren können.
Ist es in anderen Ländern leichter? Wo ist die Akzeptanz besonders gut?
Es gibt keinen Unterschied. Open Source Ecology verbreitet sich in jedem Land. Von den USA, über Guatemala, Argentinien, Spanien, Italien, Deutschland, Griechenland, Indien und China bis zu den Philippinen.
Wie viel aktive Unterstützer haben Sie weltweit schon gefunden?
Tausende.
Wie viele davon in Deutschland?
Mehr als 20.
Wie verbreiten Sie die Idee in Deutschland?
Mit praktischer Arbeit und Kommunikation.
Haben Sie viele Medienauftritte oder vertrauen Sie auf Social Media?
Beide in angemessener Größe.
Wie würden Sie die Philosophie beschreiben, die hinter dem Modell steckt?
Open Source basiert auf öffentliches Teilen und Kollaboration. Jeder weiß, wie wir die Produkte herstellen und jeder kann mit uns zusammenarbeiten. Wir veröffentlichen alle Baupläne und Geschäftsmodelle kostenlos im Internet. Menschen mit Zugang zu Werkstätten für flexible Fertigung können diese Baupläne herunterladen, falls nötig an ihre lokalen Gegebenheiten anpassen, und die Maschinen bauen. Dann sie bringen ihre Verbesserungen und Innovation im Internet ein und schaffen so einen echten Mehrwert, lokal und global. Dieser offene Innovationszyklus wiederholt sich und treibt in schneller Geschwindigkeit ökonomische Verbesserungen weltweit an! Wir werden so in der Lage sein, die Ökonomie zu stärken, materielle Knappheiten zu überwinden und eine offene Gesellschaft aufzubauen, in der wir unser Potential entfalten.
Werden Sie manchmal als "Big Brother"-ähnliches-Projekt, das auf Nachhaltigkeit getrimmt ist, belächelt?
Wir wissen, dass jedes Projekt belächelt und als unrealistisch von einigen gehalten werden könnte. Wir arbeiten trotzdem fleißig und sind offen für jede konstruktive Kritik, die das Projekt weiterbringt.
Gibt es in Deutschland größere Spender oder Förderer, die Sie nennen dürfen?
Das Unternehmen velaia GmbH unterstützt ein Teammitglied mit einem monatlichen bedingungslosen Grundeinkommen. Wir arbeiten an der Forschungsplattform für Windenergie und anderen Projekten und größere Förderer sind willkommen durch uns einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen.
Könnten Sie sich auch vorstellen, andere Geräte als Open Source zu verbreiten, z.B. die Baupläne von Fernsehern, Laptops und Smartphones, die heute zu einem modernen Leben gehören?
Ja, das ist ein späteres Ziel. Zunächst fokussieren wir uns auf Fertigungsmaschinen, die die Grundlage der Produktion sind, und Maschinen, die ökonomisch signifikanter und leichter zu bauen sind.
Sind die Tage von proprietären Systemen wie Apple gezählt?
Das ist abhängig vom proprietären System. Ein System kann langfristig überleben wenn es sich an der Umgebung anpasst, diverse und offen für Änderungen und Partizipation ist.
Was ist Ihre persönliche Motivation?
Jede Person möchte sich entwickeln. Bei meiner Entwicklung habe ich zwei Einblicke gewonnen. Erstens, sogar die absolute persönliche Selbstverwirklichung erfordert keinen gesellschaftlichen Beitrag. Sei sie berufliche, finanzielle oder spirituelle Selbstverwirklichung, den Schritt von Ich nach Wir ist entscheidend für die gesellschaftliche Entwicklung. Zweitens, die Mehrheit der Menschen statt sich zu entwickeln und zur Gesellschaft beizutragen, sind dazu gezwungen, ihre Grundbedürfnisse wie z.B. Haus, Essen, Energie und Transport sicherzustellen. Mangelnde Grundbedürfnisse begrenzen unsere Entwicklung und gesellschaftlichen Beitrag! Für weiterentwickelte Menschen ist es auch schwierig ihr Potential zu entfalten, da die Masse der Menschheit noch nicht dieses positiven Potential aufnehmen und nutzen kann. Das Bedürfnispyramide stellt dies sehr gut dar. Wenn wir uns wirklich entwickeln wollen, müssen wir unsere Grundbedürfnisse sicherstellen, und nicht nur für die 5% von uns, sondern für alle. Dann können wir viel leichter an höheren Zielen arbeiten. Und dies können wir erreichen wenn wir praktisch unsere Gesellschaft durch Offenheit und Kollaboration ständig nachhaltig verbessern.
Wie viel Zeit investieren Sie persönlich in GVCS?
Mein Leben.
Open Source basiert auf Teilen und Kollaboration. Welche Chance hat die Ökonomie des Teilens in der Realität?
Die Ökonomie des Teilens existiert seit Tausenden von Jahren. Ohne Teilen findet keinen Austausch und keine Bildung statt. Eine bessere Frage ist: wie können wir Teilen so optimieren, dass es Mehrwert für möglichst viele Menschen langfristig und nachhaltig schafft? Die Optimierung des Teilens basiert auf optimierter Produktion und Verteilung von Informationen und Gütern. Vor 15 Jahre war der Informationsfluss sehr begrenzt. Heutzutage sind wir in der Lage fast alle Arten von Informationen viel leichter zu produzieren und sofort weltweit zu verteilen. Wir arbeiten am nächsten Schritt - die Demokratisierung der Produktionsmittel und Güter via kollaborative Open-Source-Fertigung.
Hängt der Mensch nicht zu sehr am Besitz und Eigentum?
Ja, aber so ist es auch mit dem Teilen. Der Mittelweg ist nachhaltiger. Besitze ich etwas, kümmere ich mich über etwas, was mir geteilt wurde. Teile ich etwas, ermögliche ich die Empfänger es zu besitzen und sich darüber zu kümmern. Wenn wir bewusst und verantwortlich besitzen und teilen, bereichern wir alle.
Wie schätzt Ihr die Gefahr ein, dass Big Player gegen Euch Patentklagen einreichen?
Es ist nicht auszuschließen, obwohl unser Fokus auf patentfreie Technologien liegt.
Ökonomische Stabilität und Autonomie gehören zu den Hauptzielen des GVCS. Stoßt Ihr gerade angesichts der Finanzkrise auf offene Ohren?
In den USA, wo das Projekt schon seit Jahren läuft, werden wir von Stiftungen mit Hunderttausenden Dollar unterstützt. Tausende Menschen weltweit haben uns finanziell unterstützt und Hunderte davon spenden monatlich. Wir arbeiten mit berühmten Organisationen zusammen und wir führen erste Gespräche mit der Regierung. In Deutschland viele sind offen dafür und wir bauen die Basis für Engagement auf. Die Zeit ist einfach reif für nachhaltige offene Entwicklung.
Wie dringlich ist es, den Begriff von Wohlstand neu zu definieren?
Je früher und nachhaltiger definiert und praktiziert, desto besser für uns und die nächste Generationen.
In den USA ist es das Ziel, eine funktionierende GVCS-Community bis 2014 aufzubauen. Was kommt danach?
Weltweite Replikation und Verbesserung der Maschinen. Offene Entwicklung neuer Maschinen und mehr lokalisierte Produktion.
Haben sich in den USA schon genügend Teilnehmer für die Community gefunden? Wie viele Menschen sind dabei?
Zur Zeit ungefähr 10. Bald sie werden 15. Ziel ist es zunächst eine Community mit 30 Menschen.
Warst Du schon mal dort? Falls ja, was hattest Du für einen Eindruck?
Noch nicht, damit ich Open Source Ecology in Deutschland entwickele.
Gibt es solche Dörfer auch schon in anderen Ländern?
In Guatemala sind zwei Communities auf GVCS-Basis geplannt.
Du sagst, in Deutschland wird es nicht nur eine Gemeinschaft, ein Dorf sein, sondern viel mehr. Meinst Du damit das langfristige Ziel?
Langfristig und eigentlich jetzt. Viele Menschen assoziieren Open Source Ecology nur mit dem GVCS. Aber OSE ist viel mehr als das GVCS. Die Hauptvision ist es Open-Souce-Ökonomie. Für die Ökonomie gibt es drei wichtige Systeme in der Welt - die Umwelt, die Technik und die Gesellschaft. Wir wenden die Erfolgsmethoden aller drei Systeme an, verbessern sie stetig nach nachhaltigen Kriterien und legen die entsprechenden Ergebnisse offen. Jede Person kann jetzt dazu beitragen.
Braucht es nicht auch prägnante, medienwirksame Beispiele, wie z.B. ein funktionierendes Dorf, damit die Idee Gewicht gewinnt und überzeugt?
Ja, das brauchen wir unbedingt! Wir fangen mit dem OpenEcoLab München an wo wir zunächst die Best Pracices für Open-Souce-Fertigung entwickeln und beweisen werden.
Würde die Verbreitung der Idee auch ohne Web-Community und Social Media-Aktivitäten funktionieren?
Das passiert schon durch persönliche Beziehungen und andere Medien.
Gehört der Verkauf von selbstgebauten Maschinen zum Konzept?
Selbstverständlich.
Wie viel Maschinen habt Ihr schon verkauft?
In den USA mindestens 15.
Könnte Eure Idee eines Tages zum Sozialunternehmen werden, mit dem Ihr monetären und gesellschaftlichen Profit erzielt?
Factor E Farm in den USA ist schon so ein Sozialunternehmen und eigentlich mehr. Es ist ein Sozialunternehmen, das andere Sozialunternehmen durch Open-Source-Baupläne und Offene Geschäftsmodelle ermöglicht und unterstützt.
Wie bist Du auf Open Source Ecology aufmerksam geworden?
Ich habe 15 Monate nach nachhaltigen Projekten im Internet in meiner freien Zeit gesucht. Open Source Ecology hatte die umfassendste und praktischste Vision.
Hast Du Marcin schon vorher gekannt?
Nein.
Könntest Du mir noch Dein Alter verraten und ein Foto von Dir schicken?
28. Foto: Medium:Nikolay_Georgiev.jpeg.